Olfaktorik - Bewusst Kaffee trinken und riechen: Übung macht den Meister!

Dr. Steffen Schwarz betreibt eines der größten Forschungs- und Trainingszentren für Kaffee. Er ist ein leidenschaftlicher Kaffeeliebhaber, dessen Kolumne wir Ihnen gerne zur Inspiration empfehlen.

Der Begriff Olfaktorik - vom Lateinischen „olfacere“ (etwas riechen) - bezeichnet die Geruchswahrnehmung über die Rezeptoren in Nasenraum. Es handelt sich um Wahrnehmung chemischer Reize, die über Geruchsrezeptoren in den Riechepithelien in der Schleimhaut wahrgenommen werden.

Die Geruchswahrnehmung stellt die differenzierteste und komplexeste Wahrnehmung im Bereich der Gesamtgeschmackswahrnehmung dar - Tausende verschiedene Aromen können erkannt und identifiziert werden.

Jeder kennt die Situation Geruch oder Geschmack wahrzunehmen und nicht beschreiben bzw. benennen zu können. Es ist daher unabdingbar zunächst zu versuchen herauszufinden, welche Emotion man mit diesem Geruch verbindet, um vom emotionalen Zentrum aus das Bild zu finden, das mit dem Geruch oder Geschmack verbunden ist. Nur so ist es möglich die Beschreibung und Assoziation mit Worten von Aromen vorzunehmen.

Aber auch hierbei gilt - Übung macht den Meister - also einfach einmal bewusster „hineinriechen“, wenn es um Aromen geht und dann einfach darüber sprechen.

Wir haben bei Coffee Consulate über viele Jahre ein beschreibendes System mit einem Kaffeearomarad mit 11 Aromengruppen und mehreren Untergruppen entwickelt, das die Beschreibung von Kaffee erheblich vereinfacht und systematisiert. Für den einfachen Einstieg bieten wir Aromen-, Sensorik- oder Cuptasting-Workshops an - das Thema der Aromen und Aromenbeschreibung ist dabei einer der Schwerpunkte.

Einfach mal ausprobieren!

Probieren Sie doch einfach einmal bewusst eine Tasse Kaffee und legen ein Flavourprofil daneben. Hier ist unseres:

http://www.coffee-consulate.com/images/pdf/flavourprofil/ccflavourprofildeu.pdf

Beim bewussten Trinken und Riechen kann man sich nacheinander auf die verschiedenen Gruppen konzentrieren - wie auf einzelne Instrumente in einem Orchester. Das Flavourprofil ist ein sehr guter Leitfaden, an dem man sich entlanghangeln kann. Einfach einmal ausprobieren!

Die für die Geruchswahrnehmung verantwortlichen ca. 30.000.000 Riechzellen sterben alle 30 bis 60 Tage ab und werden durch neue nachwachsende Zellen ersetzt. In der Riechschleimhaut kommt es zur Anlagerung der Geruchsstoffe, die an den Sinneszellen eine Depolarisation auslösen, die dadurch ein Signal weiterleitet. Bis zu 1000 Riechzellen des gleichen Typs aus unterschiedlichsten Gebieten des Riechepithels werden dabei zusammengeschaltet.

Das am Dach der Nasenhöhle befindliche Geruchsorgan des Menschen besitzt rund 400 verschiedene Geruchsrezeptortypen, mit denen er unterschiedliche Geruchsstoffe (verschiedene Moleküle) wahrnehmen kann. Alle diese Stoffe sind flüchtig, besitzen also ein geringes Molekulargewicht von unter 300g/mol. Gerüche werden durch das gemeinsame Aktivieren meist mehrerer Rezeptortypen erkannt. Sinneszellen eines Typs werden durch chemisch ähnliche Substanzen erregt.

Die Geruchsstoffe werden dabei sowohl orthonasal (von vorne durch die Nasenhöhle) als auch retronasal (von hinten durch den Rachen in die Nasenhöhle) wahrgenommen. Die orthonasale Wahrnehmung betrifft stärker die Gruppe der wasserlöslichen, leichten Aromen, die retronasale Wahrnehmung eher die fettlöslichen, schweren Aromen.

Die Aufnahme und Weiterleitung der Geruchswahrnehmung geschieht auf verschiedenen Wegen:

  • Erinnerung (Gedächtniseinspeicherung von Ort, Situation) (direkter Weg) über archaische Hirnbereiche

  • Emotion / Motivation (direkter Weg) über emotional verarbeitende Hirnbereiche (Limbisches System

  • Geruchsidentifikation (indirekter Weg) über Frontalhirnbereiche mit Verknüfungen zu Sprachzentren

    Sie werden Kaffee nun viel bewußter wahrnehmen und auch die Zubereitung immer weiter perfektionieren - und auch die bewusste Wahrnehmung anderer Speisen und Getränke wird sich merklich verändern.