Das Mundgefühl ist der Schlüssel zum guten Geschmack

Dr. Steffen Schwarz betreibt eines der größten Forschungs- und Trainingszentren für Kaffee. Er ist ein leidenschaftlicher Kaffeeliebhaber, dessen Kolumne wir Ihnen gerne zur Inspiration empfehlen.

Die Haptik (Mundgefühl) ist der wohl am weitesten unterschätzte Bereich der Sensorik - während der Geschmack (Gustatorik) und der Geruch (Olfaktorik) zumindest im Bewußtsein der Menschen verankert sind, fällt der Haptik meist fast keine Beachtung zu - doch ist sie ebenso wie Gustatorik und Olfaktorik ebenso entscheidend für die Gesamtgeschmackswahrnehmung (Flavourprofil).Der Begriff Olfaktorik - vom Lateinischen „olfacere“ (etwas riechen) - bezeichnet die Geruchswahrnehmung über die Rezeptoren in Nasenraum. Es handelt sich um Wahrnehmung chemischer Reize, die über Geruchsrezeptoren in den Riechepithelien in der Schleimhaut wahrgenommen werden.

Die Geruchswahrnehmung stellt die differenzierteste und komplexeste Wahrnehmung im Bereich der Gesamtgeschmackswahrnehmung dar - Tausende verschiedene Aromen können erkannt und identifiziert werden.

Dies läßt sich an konkreten Beispielen sehr leicht verdeutlichen. Perfekt zubereitete Spaghetti haben noch einen leichten Biß - sind also „al dente“ - während überkochte Spaghetti zu weich und schon breiig sind. Der Nährwert beider nur haptisch unterschiedlichen Spaghetti sind dabei identisch - allerdings zeigt sich eine klare Bevorzugung für die nicht zu weich gekochten Spaghetti.

Knuspriges Brot

Ebenso verhält es sich mit Brot. Eine noch bißfestere, knusprige Kruste wird einer weichen, lätschigen Brothaut vorgezogen - und das bei gleicher Gustatorik und gleichen Aromen.

Häufig wird die Haptik besonders bei Getränken unterschätzt, jedoch auch hier sind die Trinktemperatur (die ebenfalls zur Haptik zählt) und die Viskosität entscheidend für eine Bevorzugung oder Ablehung eines Getränkes.

Schaumweine (z.B. Sekt) und Perlweine (z.B. Prosecco) unterscheiden sich insbesondere in der Perlage, also ihrer Kreszenz, der Aufladung mit Kohlensäure. Hier entsteht ein cremiges, samtiges Mundgefühl bei gut eingebundener Kohlensäure, während eine zu hoch dosierte Kohlensäure als aggressiv bis schmerzhaft im Mund wahrgenommen wird. Analog verhält es sich bei den Mineralwässern, die ebenfalls unterschiedliche Kreszenzen aufweisen (von klassischem Sprudel über Medium-Mineralwasser zu stillem Wasser).

Weicheres Weizenbier

Bei Bieren findet sich die Haptik - je nach Hefeart (also obergärig oder untergärig) und der Anreicherung mit Kohlensäure, ebenfalls als wesentliches Kriterium wieder. Dies ist auch der Grund dafür, dass Weizenbiere ein weicheres Mundgefühl aufweisen.

Für Kaffee findet sich die Haptik ebenfalls als maßgeblicher Schlüssel zu einer perfekten Tasse - vom Filterkaffee, über Espresso zum Cappuccino und Nitro-Coldbrew. Überall ist Haptik und läßt uns klare Präferenzen entwickeln.

Öliger Espresso

Ein Espresso, ohne öliges, leicht dickflüssiges Mundgefühl und Crema ist unstimmig und lädt nicht zum erneuten Genuß ein - ebenso ist ein Cappuccino, der sich samtig und cremig im Mund entfaltet ein Hochgenuß, nicht aber ein höllisch heißer, wässriger (und meist dazu bitter-verbrannter) Cappuccino.

Also - einfach einmal auf das Gefühl für den Kaffee achten! Dann haben auch die Gäste ein besseres Gefühl!